von Gerd Dielmann
Der seit Jahren bestehende Kostendruck in den Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie der regionale und fachbezogene Personalmangel nicht nur im ärztlichen Dienst und in den Funktionsdiensten hatten erhebliche Umstrukturierungen in der Arbeitsorganisation und den Arbeitsabläufen in den Krankenhäusern zur Folge[1]. Outsourcing und Privatisierung von Teilbereichen betrafen vor allem die Wirtschaftsdienste. Insbesondere der Pflegedienst war von einem dramatischen Stellenabbau betroffen. Leiharbeit wurde zum Lückenstopfer.
Erst in jüngerer Zeit konnte durch Ausgliederung der Pflege am Bett aus den Diagnosis Related Groups (DRG) und deren Finanzierung über Selbstkostendeckung das Stellenniveau von 1995 wieder erreicht werden, auch indem zum Pflegedienst zählendes Personal andere Berufsgruppen umfassen kann (siehe nebenstehende Grafik).
Während der Pflegedienst um 50.000 Stellen und die medizinisch-technischen Dienste deutlichen Stellenabbau verzeichneten, erfreuten sich der ärztliche Dienst und die Funktionsdienste kontinuierlicher Wachstumsraten.
Der anhaltende Kostendruck lässt das Krankenhausmanagement nach weiteren Rationalisierungsmöglichkeiten Ausschau halten. Dabei gerät zunehmend die Arbeitsorganisation in den Fokus. Hier lassen sich drei Aktionsfelder unterscheiden:
- die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegepersonal (auch auf MTA und MFA)
- die Schaffung neuer Assistenzberufe (ATA, CTA, OTA, Physician Assistants) oder Zusatzausbildungen, wie Stroke Nurse, Pain Nurse, Breast Nurse u.a.m.
- die Übertragung pflegerischer und pflegenaher Tätigkeiten auf Pflegeassistenz- und Servicepersonal und aktuelle Entwicklungen
1. Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
Eine der Maßnahmen war die verstärkte Delegation ärztlicher Tätigkeiten an pflegerisches und anderes Personal. Dabei ging es u.a. um venöse Blutentnahmen, Injektionen, intravenöse Applikation von Zytostatika, Assistenz bei operativen Eingriffen, Wund- und Schmerzmanagement u.a.m.[2] Auf Grund des Heilkundevorbehalts und der vergleichsweise restriktiven Rechtsprechung, etwa zum Facharztstandard, ist die Delegation von ärztlichen Aufgaben an Bedingungen geknüpft, die dieser Möglichkeit, Personalkosten einzusparen, Grenzen setzt. Das Heilpraktikergesetz von 1939 (!), zum Schutze der Volksgesundheit vor Badern und Scharlatanen geschaffen, gilt in seinen Kerninhalten immer noch in einer »bereinigten Fassung«.[3] Darin heißt es in § 1 Abs. 1: »Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis. Abs. (2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.« (§ 1 HeilPraktG). Diese sehr weite Definition von Heilkunde macht es anderen als »bestallten Ärzten« nahezu unmöglich, heilkundlich tätig zu werden.
Die Entwicklung weiterer Heilberufe und die Notwendigkeit in der Gesundheitsversorgung zunehmend enger, aber auch arbeitsteilig zusammen zu arbeiten, führte bei fortbestehendem Arztvorbehalt dazu, dass heilkundliche Tätigkeiten unter bestimmten Bedingungen als delegierbar erachtet wurden. Da es dazu nach wie vor keine gesetzliche Regelung gibt, blieb es der Rechtsprechung vorbehalten eine Eingrenzung vorzunehmen[4] und Grundsätze für das Delegationsverfahren aufzustellen.
»Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf nicht ärztliches Personal ist rechtlich nur zulässig, wenn der Patient in diese Maßnahme einwilligt, die Art des Eingriffs das persönliche Handeln des Arztes nicht erfordert, der Arzt die Maßnahme anordnet, der ausführende nicht ärztliche Mitarbeiter zur Durchführung der Anordnung befähigt ist und er zur Ausführung der ärztlichen Tätigkeit bereit ist.«[5]
In dem geurteilten Fall hatte sich ein OP-Pfleger geweigert, im Rahmen einer Operation Tätigkeiten eines Assistenzarztes zu übernehmen, wie Sekret absaugen, Gefäße zu koagulieren, Haken zu halten und Fäden abzuschneiden. Er erachtete diese Aufgaben als berufsfremd. Das Gericht gestand ihm ein Verweigerungsrecht zu.
Angesichts der nachfolgend (unter 2.) beschriebenen Entwicklungen dürfte das Problem derzeit eher darin bestehen, aus Gründen der Behandlungsqualität übereifriges Chirurgieassistenzpersonal an der eilfertigen Übernahme von Tätigkeiten, für die es nicht hinreichend qualifiziert ist, zu hindern. Delegieren ist unter den genannten Bedingungen möglich, wobei der Arzt/die Ärztin sich von der Befähigung der Person, an die delegiert wird, persönlich zu überzeugen hat. Die selbständige Heilkundeausübung bleibt jedoch den anderen als ärztlichen Heilberufen mit Ausnahme der psychotherapeutischen Berufe im Hinblick auf die Ausübung der Psychotherapie (§ 1 Abs. 1 PsychThG) untersagt.
Erste Ansätze, die selbständige Ausübung der Heilkunde auch den Pflegeberufen zu ermöglichen, fanden sich durch Ergänzung der Berufsgesetze der Pflegeberufe um Modellversuchsklauseln zum Erwerb erweiterter Kompetenzen (vgl. Dielmann 2008, G-BA 2011). Um welche Kompetenzen es sich handeln darf, wurde – heiß umkämpft – vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt.[6] Dazu wurden die Berufsgesetze der Pflegeberufe dahingehend geändert, dass die Ausübung der Heilkunde im Rahmen dieser – eng definierten – »erweiterten Kompetenzen« erlaubt wurde (§ 1 Abs 1 S. 2 KrPflG). Diese Öffnung ist mit dem Pflegeberufegesetz auf wundersame Weise und ohne Begründung wieder verlorengegangen, Die Modellklauseln wurden aber beibehalten (§ 14 PflBG).
Zunächst waren die Modellversuche zur Qualifizierung für die selbständige Heilkundeausübung an das Vorliegen von Modellvorhaben zu neuen Versorgungsformen nach § 63 Abs. 3c SGB V gekoppelt. Da sich die Krankenkassen und ihre Verbände aber nicht auf solche Modellversuche einigen konnten, unterblieb auch die Erprobung der Heilkundeausübung durch die Pflegeberufe. Mit dem Pflegeberufereformgesetz (2017) wurden die Krankenkassen angehalten, solche Modellvorhaben bis 31.12.2020 zu vereinbaren oder durchzuführen. Mit Gesetz vom 12.11.2022 wurden sie schließlich verpflichtet, in jedem Bundesland ein Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung auf den Weg zu bringen.[7] Nachdem der GB-A sich geweigert hatte, die für die Kompetenzentwicklung notwendigen Qualifizierungsmodule mangels eigener berufspädagogischer Kompetenz zu entwickeln, wurde diese Aufgabe der im Pflegeberufegesetz vorgesehenen Fachkommission übertragen. Die Kompetenzen waren zunächst eng begrenzt auf fünf Diagnosen (Diabetes, Demenz, chronische Wunden, Hypertonie, Schmerzen), inzwischen wurden sie auf Pflege und Therapie von Patienten/Patientinnen mit Tracheostoma und Atembeeinträchtigungen erweitert.[8]
Ähnlich umkämpft war die selbständige Ausübung der Heilkunde durch Notfallsanitäter/-innen. Lediglich als Ausbildungsziel formuliert, sollte das »Anwenden von in der Ausbildung erlernten und beherrschten auch invasiven Maßnahmen …« mit dem Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes enden.[9] Als könne man eine zu vermittelnde Qualifikation davon abhängig machen ob jemand kommt oder nicht. Erst mit dem MTA-Reformgesetz vom 24.02.2021 wurde in das NotSanG die »Eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen« aufgenommen (§ 2a NotSanG). Um welche Maßnahmen es sich handeln kann und wie sie angewendet werden, ist aber weiterhin streng reglementiert und wird durch die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst nach landesrechtlichen Vorgaben überwacht.
Anstatt das Heilpraktikergesetz zu ändern, soll offenbar der mühsame Weg beschritten werden, in jedem Berufszulassungsgesetz der »anderen Heilberufe«, soweit erforderlich, die Heilkundeausübung ausdrücklich zu erlauben. Als nächstes steht eine Novellierung des Physiotherapeutengesetzes auf der Tagesordnung, in dem es dann neben Heilkundeausübung auch um Hochschulausbildung und Direktzugang in der Versorgung, also ohne ärztliche Verordnung, gehen wird (Referentenentwurf Physiotherapieberufereformgesetz).
Während der COVID-19-Pandemie wurde für die Zeit des Vorliegens »einer epidemischen Lage von Nationaler Tragweite« der strikte Arztvorbehalt gelockert, indem Notfallsanitätern/Notfallsanitäterinnen und Pflegefachpersonen die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestattet wird, wenn
»1. die Person auf der Grundlage der in der jeweiligen Ausbildung erworbenen Kompetenzen und ihrer persönlichen Fähigkeiten in der Lage ist, die jeweils erforderliche Maßnahme eigenverantwortlich durchzuführen und
- der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten nach seiner Art und Schwere eine ärztliche Behandlung im Ausnahmefall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht zwingend erfordert, die jeweils erforderliche Maßnahme aber eine ärztliche Beteiligung voraussetzen würde, weil sie der Heilkunde zuzurechnen ist.« (§ 5a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz).
Aktuell gibt es Überlegungen im Bundesgesundheitsministerium, in Modellversuchen qualifizierten Pflegefachpersonen »erweiterte Versorgungsaufgaben in der Regelversorgung« zu übertragen. Gedacht ist dabei an die vom G-BA definierten Diagnosen zu Demenz, Diabetes und Wundversorgung (Vorläufige Eckpunkte Pflegekompetenzgesetz, 18.12.2023). In dem geplanten »Pflegekompetenzgesetz« soll auch das Berufsbild »Advanced Practice Nurse (APN)« etabliert und zur »eigenverantwortlichen und selbständigen Ausübung von Heilkunde befähigt« werden (ebenda).
- Neue Berufsbilder und Zusatzqualifikationen
Das Berufsprinzip ist eine der tragenden Säulen des deutschen Wirtschaftssystems. Die Tatsache, dass sich Berufsqualifikationen überwiegend in Berufen manifestieren, die durch staatlich geregelte Ausbildungsordnungen oder durch Weiterbildungsabschlüsse und nicht durch »training on the job« vermittelt werden, gilt als eine der Stärken hiesiger Ökonomie. Das gilt insbesondere für die Heilberufe, die darüber hinaus einer spezifischen Zulassung bedürfen.
Das deutsche Berufsbildungssystem basiert auf drei Säulen, den ca. 320 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), schulischen Berufsausbildungen nach Landesrecht und den »anderen als ärztlichen Heilberufen«, die nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 (Grundgesetz) auf Grundlage von Berufszulassungsgesetzen geregelt sind.[10]
Die Berufe der medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten zählen zu den von Frauen am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen nach BBiG. Nach Landesrecht geregelt sind die Ausbildungen der Erzieher/Erzieherinnen und in der Heilpädagogik sowie die zahllosen variantenreichen Pflegehelfer/-innen- und Pflegeassistenzausbildungen. Es gibt zur Zeit 18 auf Grundlage von Berufszulassungsgesetzen geregelte Heilberufe, die nicht regelhaft an Hochschulen, sondern an so genannten »Schulen des Gesundheitswesens« ausgebildet werden. Darunter zählen u.a. die Pflegeberufe, die medizinisch-technischen und die Therapieberufe.[11]
Besonders in chirurgischen Fachgebieten, aber nicht nur dort, werden neue Berufe gebastelt. Bekannteste Beispiele sind die Anästhesietechnischen und Operationstechnischen Assistenten/-innen, die sich bereits etabliert haben und seit 2019 mit Ausbildungsbeginn 01.01.2022 gesetzlich geregelt sind. Die auf Grundlage von DKG-Richtlinien begonnenen Ausbildungen, werden auf dieser Grundlage zu Ende geführt und nachträglich anerkannt.
Die Problematik ungeregelter Berufsausbildungen wird nachfolgend an einigen Beispielen erläutert.
Die OTA-Ausbildung war Anfang der 1990er Jahre an einzelnen Krankenhäusern nach hauseigenem Konzept vor dem Hintergrund offensichtlichen Mangels an Pflegepersonal insbesondere im OP eingeführt worden. Ihr folgte die ATA-Ausbildung, für die beide dann in sogenannten Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)[12] immerhin bundeseinheitliche Vorgaben entwickelt wurden. Die DKG regelte die »Anerkennung« von Schulen und überwachte die Prüfungsverfahren.
Diese von Arbeitgeberseite selbst erfundenen Berufe haben den Vorzug, dass sie schneller ausgebildet und auf ein spezielles, oft sehr enges Tätigkeitsfeld zugeschnitten und schlechter bezahlt werden können, bis eine tarifvertragliche Regelung erfolgt. Während die weitergebildete OP-Pflegefachkraft einer mindestens fünfjährigen Aus- und Weiterbildung bedurfte, genügte hier eine dreijährige Ausbildung an hauseigenen Schulen mit selbst festgelegten Ausstattungs- und Qualifizierungsmerkmalen der Lehrkräfte. Das Tätigkeitsfeld ist weitgehend auf den OP und die Notfallambulanz beschränkt. Im Unterschied zu OP-Pflegepersonal scheiden andere pflegebezogene Einsatzbereiche aus.
Da nicht staatlich anerkannt, erfolgte auch keine Refinanzierung der Ausbildungskosten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), wie bei den meisten anderen Heilberufen. Die Ausbildungen mussten aus dem Personalbudget der Krankenhäuser bezahlt werden, was offenbar kein Hinderungsgrund war. Die Ausbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes wies zuletzt für das Schuljahr 2020/21 genau 2.139 Ausbildungsplätze für OTA nach.[13] Neben den DKG-Empfehlungen existierten drei landesrechtlich geregelte Ausbildungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen und Ausbildungsformaten.
Durch Rechtsprechung wurde bereits 2007 entschieden, dass auf die OTA-Ausbildung die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes anzuwenden sind.[14] Das sichert zumindest für die praktischen Ausbildungsteile ein Minimum an Rechtssicherheit und Ausbildungsqualität.[15]
Chirurgisch-technischer Assistent/ Chirurgisch-technische Assistentin
Das gilt auch für die weiterhin ungeregelte Ausbildung in Chirurgisch-technischer Assistenz (CTA), deren »Erfindung« stolz von der Kaiserswerther Diakonie vermeldet wird.[16] Pate stand hier nicht die DKG sondern die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie mit ihrer ausgewiesenen berufspädagogischen Kompetenz. Die Ausbildung wird an privaten Schulen oder »Akademien« angeboten und gemeinsam mit Krankenhäusern organisiert. Die Mutter aller CTA-Schulen in Kaiserswerth weist mehr als 60 zumeist kirchliche Krankenhäuser als Kooperationspartner aus. Schulgeld wird nicht verlangt, was auf Grund der Rechtsprechung zur BBiG-Anwendung auch nicht zulässig wäre, und die gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsvergütung wird von den Krankenhäusern aus ihren Personalbudgets gezahlt, da auch diese Ausbildung mangels staatlicher Anerkennung nicht aus Mitteln des KHG über Ausbildungsfonds refinanziert wird.
Gelockt werden die jungen Leute mit einer flotten Internetseite und folgendem Versprechen: »Worauf du dich freuen kannst. Die Ausbildung ist die perfekte Kombination aus Aufgaben im OP, auf der Station und im ambulanten Bereich eines Krankenhauses. Du profitierst dabei durch die vielen verschiedenen Fachgebiete, die du während deiner Ausbildung kennenlernst. Die Chirurginnen und Chirurgen, die Chirurgisch-Technischen Assistentinnen und Chirurgisch-Technischen Assistenten sowie die Pflege-Teams unterstützen dich in deiner Entwicklung, sodass du schnell an Erfahrung gewinnst. …«[17]
In einer anderen Beschreibung des Berufsbilds heißt es: »Der hauptsächliche Einsatzort für einen CTA ist der OP-Saal. Hier übernehmen chirurgisch-technische Assistenten, unter fachkundiger Aufsicht und Anleitung eines Arztes, diverse medizinische und operationstechnische Aufgaben. Zu denen gehören unter anderem :
- fachgerechte Patientenlagerung und weitere Vorbereitungsarbeiten unmittelbar vor einer OP
- und 2. Assistenzfunktion eines Chirurgen während einer OP
- professionelle und effiziente Entlastung des leitenden Operateurs während der OP
- fachgerechte Ver- und Anwendung chirurgischer Instrumente
- Durchführung ein- bzw. mehrschichtiger Wundverschlüsse
- fachgerechte Anwendung operativer Verknotung
- Legen von Magensonden
Die medizinischen Tätigkeiten während einer OP unterscheiden das Berufsbild CTA maßgeblich von dem eines operationstechnischen Assistenten (OTA), der überwiegend mit nicht-medizinischen bzw. nicht-chirurgischen Aufgaben während einer OP betraut ist.«[18]
Es ist offensichtlich, dass dieses Berufsbild nur unzureichend von dem der OTA abgegrenzt ist, weshalb der Gesetzgeber wohl auch darauf verzichtet hat, es gesondert zu regeln. Tätigkeiten wie die oben beschriebenen stellen zweifelsfrei eine Ausübung der Heilkunde dar. Auch wenn heilkundliche Tätigkeiten delegiert werden dürfen, soweit sie unter unmittelbarer Aufsicht des delegierenden ärztlichen Personals erfolgen, erscheint es doch fahrlässig, sie außerhalb einer staatlich geregelten Ausbildung ohne rechtsverbindliche Qualitätsvorgaben vermitteln zu wollen.
Gefäßassistent/-in
Die Qualifizierung zum/zur Gefässassistent/-in[19] ist im Unterschied zur CTA als Weiterbildung konzipiert, deren theoretischer Teil eine Woche Blockunterricht und ganze sieben weitere Tage zzgl. einer zweiwöchigen Hospitation in angrenzenden Bereichen umfasst. Die praktische Weiterbildung soll 1-2 Jahre dauern. Die Teilnahme setzt sehr unterschiedliche Ausbildungsberufe voraus[20]. Die Weiterbildung erscheint als eine Unterspezialisierung der CTA, wobei CTA auch als einer der Zugangsberufe genannt wird.
Betriebs- oder konzernbezogenes Berufebasteln ist in einem auf staatlich anerkannten Berufen basierenden Wirtschafts- und Versorgungssystem auf Dauer nicht tolerierbar. Das gilt erst recht für Gesundheitsfachberufe, denen eine besondere Verantwortung zukommt. Berufsbilder, die speziell für die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten entwickelt werden, ohne über eine Approbation als Arzt/Ärztin zu verfügen, bedürfen der staatlichen Regelung insbesondere auch im Hinblick auf die Ausübung der Heilkunde. Weder DKG-Richtlinien noch Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften können rechtsverbindliche staatliche Regelungen auf Dauer ersetzen.
- Die Übertragung pflegerischer und pflegenaher Tätigkeiten auf Pflegeassistenz- und Servicepersonal und aktuelle Entwicklungen
Parallel zur Diskussion um Entlastung des ärztlichen Personals von »arztfremden« Tätigkeiten oder der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf anderes Personal wird die Entlastung des Pflegepersonals von so genannten »pflegefremden« Tätigkeiten bzw. die Abgabe pflegerischer Aufgaben an Pflegeassistenz oder Servicepersonal diskutiert. Dabei geht es um Aufgaben der sogenannten »Grundpflege«, Unterstützung bei Aktivitäten des täglichen Lebens, wie Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Ausscheidungen, Essensausgabe im Krankenhaus, hauswirtschaftliche und Freizeitaktivitäten (z.B. Dementenbetreuer/-in), um Entlastung von organisatorischen (z.B. Hol- und Bringedienste) und administrativen Aufgaben (Stationsassistentin). Zielsetzung ist auch hier, die jeweilige Tätigkeit von billigeren Arbeitskräften erledigen zu lassen, was im Ergebnis auch die ärztliche oder pflegerische Tätigkeit selbst entwertet.
Die Diskussion um eine sinnvolle Arbeitsteilung in der Pflege wird bereits seit den 1980er Jahren geführt und feiert seit etwa zehn Jahren unter dem Stichwort »Qualifikationsmix« ihre Auferstehung. Dazwischen waren Versuche, etwa das anglo-amerikanische »Primary Nursing« in Deutschland einzuführen mehr oder weniger gescheitert. In etlichen Krankenhäusern war die Funktionspflege durch Systeme der Zimmer-, Bezugs- oder Gruppenpflege abgelöst wurden, die dann aber zu einem guten Teil dem Personalabbau nach Aussetzen der Pflegepersonalregelung (PPR) wieder zum Opfer fielen.
Pflegeassistenzkräfte wurden und werden je nach Organisation der Pflegearbeit und Berufserfahrung wie Fachkräfte eingesetzt, insbesondere bei unzureichender Personalbesetzung. Eine rechtlich verbindliche Abgrenzung der Aufgabenbereiche gab es bisher nicht. Vereinzelt sind Urteile bekannt, die den Pflegehilfskräften Injektionen oder anderweitige Medikamentengabe untersagen und sich mit Fragen von Grund- und Behandlungspflege befassen. Die mit dem Pflegeberufegesetz ab 2020 eingeführten Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachkräfte werden das nicht grundsätzlich ändern, weil die Pflegeplanung, Durchführung und Evaluierung der Pflege nicht unter den Vorbehalt fallen und weiterhin von jedermann ausgeübt werden können, soweit dem nicht andere Vorgaben etwa in den Sozialgesetzbüchern entgegenstehen.
In der aktuellen Gesetzgebung sind mehrere Tendenzen erkennbar. In der Personalbemessung soll ein an tayloristischen Prinzipien[21] ausgerichteter Qualifikationsmix entwickelt werden, der die »starre Fachkraftquote« in der Langzeitpflege ersetzen soll. Dabei wird für jede Verrichtung das Mindestmaß an dafür notwendiger Qualifikation zu Grunde gelegt.[22]
Die ca. 30 landesrechtlichen Ausbildungsregelungen für Pflegeassistenzberufe sollen mit einem zu schaffenden Pflegeassistenzgesetz eine einheitliche bundesrechtliche Grundlage bekommen. Am anderen Ende der Pflegehierarchie soll parallel mit den Plänen für ein Pflegekompetenzgesetz das Berufsbild der Advanced Nursing Practice (ANP) geregelt und für deren Tätigkeit eine Grundlage in der Versorgung geschaffen werden. Gedacht ist an einen Berufsabschluss auf Masterniveau, der zur eigenverantwortlichen und selbständigen Ausübung von Heilkunde befähigt.
Advanced Practice Nursing (Nurse Practitioner)
An wenigen deutschen Hochschulen werden bisher Studiengänge in Advanced Practice Nursing angeboten, deren Absolventinnen und Absolventen auch als »Nurse Practitioner« bezeichnet werden. Den verschiedenen Abschlussbezeichnungen entsprechen unterschiedliche Studiengangskonzepte. Offensichtlich gibt es zudem auch verschiedene Vorstellungen darüber, für welche spezifischen Aufgaben im Studium qualifiziert werden soll.
Zunächst hatten sich drei deutschsprachige Berufsverbände auf die einheitliche Bezeichnung »Pflegeexperte/in APN« geeinigt[23]. APN steht dabei für Advanced Practice Nurse. Der Terminus könne auch als Oberbegriff für weitere Unterspezialisierungen gelten, wie Clinical Nurse Specialists (CNS), Higher Level Practitioners (HLP), Nurse Consultants (NC), Public Health Nurses (PHN).[24] Im Unterschied zu vielen pflegebezogenen Studiengängen, die eher auf leitende und lehrende Aufgaben vorbereiten, soll bei APN die direkte unmittelbare Pflege im Mittelpunkt stehen. Das wirft natürlich Fragen der Abgrenzung zu herkömmlich aus- und weitergebildeten Pflegefachkräften auf. Seitens der Berufsverbände wird die Lösung des Problems in einem stärker ausgeprägten Skill-Mix und Skill-Grademix gesehen.[25]
Im internationalen Vergleich ist eher an Studiengänge auf Masterniveau gedacht. In Deutschland werden aber vorwiegend Bachelorstudiengänge als Weiterbildung für Pflegeberufe angeboten, die obendrein mit den Studiengängen im Modellversuch und der Hochschulausbildung nach Pflegeberufegesetz (PflBG) konkurrieren, welche eine Berufsausbildung mit einem ersten Hochschulabschluss kombinieren. Letztere dürften, da hier die Erstausbildung im Vordergrund steht, im Hinblick auf die pflegepraktische Kompetenz eher mit der herkömmlichen betrieblich-schulischen Ausbildung vergleichbar sein.
Das dreijährige berufsbegleitende Studium setzt neben der Hochschulzugangsberechtigung eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Pflegeberuf voraus. Bei den vorliegenden Konzepten fällt die inhaltliche Ähnlichkeit mit staatlich geregelten Weiterbildungsangeboten für Pflegefachkräfte auf. Die dort genannten Schwerpunkte sind jeweils auch durch entsprechende Weiterbildungsabschlüsse abgedeckt. Im Falle der Hochschulausbildung sind sie ergänzt um einen ersten Hochschulabschluss.
Ein Blick ins europäische Ausland zeigt ein eher uneinheitliches Bild. Nur 14 der 20 Länder, die über einen APN-Rahmenplan verfügen, halten sich an die Definition des International Council of Nurses (ICN) und nur 11 Länder haben eine gesetzliche Grundlage für die angestrebte Qualifikation. Große Variationen gibt es auch hinsichtlich der Zugangsqualifikationen, die vom Berufsabschluss bis zur Masterqualifikation reichen.[26]
Zwar sind die Konturen auch des deutschen APN-Projekts noch nicht deutlich erkennbar. Zumindest scheint im BMG klar zu sein, dass man die Entwicklung von Berufsqualifikationen nicht losgelöst von den Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt betrachten sollte.
Desaster Nursing
Zu guter Letzt fordert auch die Zeitenwende ihren Tribut. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) hat ein zweijähriges Projekt zur Entwicklung eines Qualifizierungsmoduls »Pflegehandeln in Krisen und Katastrophen« mit dem schönen englischen Titel »Desaster Nursing« ausgeschrieben.16 Dem ist nichts hinzuzufügen.
Einige Beispiele für staatlich nicht geregelte Aus- oder Weiterbildungen:
Anästhesietechn. Assistent/in (ATA)
Operationstechn. Assistent/-in (OTA)
Chirurgisch-techn. Assistent/-in (CTA)
Chirurgieassistent/-in, Chirurgische/r Operationsassistent/in (COA)
Gefäßassistent/-in,
Endovaskuläre Assistent/-in
Phlebotomist/-in
Pain Nurse, Research Nurse,
Stroke Nurse Case-Manager/-in,
Case-Mix Performer
Dementenbetreuer/-in
Diabetesberaterin
An Hochschulen ausgebildet:
Physician Assistants (PA) /
Cardiology Assistance (CA)/
Intensive Care Practitioner (ICP),
Family Health Nurse (FHN),
Advanced Nursing Practice (ANP)
Gerd Dielmann ist Krankenpfleger, Berufspädagoge und Gewerkschaftssekretär i.R. Er war zuvor in der ver.di-Bundesverwaltung u.a. zuständig für die Gesundheitsberufe.